Ausstellung "BENDED SIGHT" von Felicitas Rohden
Eröffnung am Freitag, 4. September 2015 um 19 Uhr
Dauer: 5. September bis 2. Oktober 2015
"BENDED SIGHT" – der gebogene Blick
Felicitas Rohden
"bended sight"
Kunst und Wissenschaft werden innerhalb unserer Kultur nach
wie vor als Gegensätze begriffen. Sie repräsentieren zwei wesentliche Konzepte
der abendländischen Kultur in der Moderne: radikale Subjektivität des
individuellen Ausdrucks und konsequente Anwendung objektivierbarer Methoden zur
rationalen Erkenntnis der Welt. Seit dem 18. Jahrhundert hat sich dieses
Verständnis von Kunst und Wissenschaft als Dichotomie herausgebildet, das mit
der sorgfältigen Entwicklung von Fachgebieten, wie den Geistes- und
Naturwissenschaften und Fachinstitutionen, wie den Universitäten, Akademien und
Museen, einhergeht.
Die Wunderkammern und Kuriositätenkabinette des ausgehenden
Mittelalters und der folgenden Renaissance zelebrierten die Einheit dieser
Gegensätze. Die Gleichzeitigkeit von Ausdruck und Erkenntnis, die
Gleichwertigkeit des Gemachten und des Natürlichen waren konstitutiv für Kunst
und Weltanschauung der Renaissance. Ganzheitliche und interdisziplinäre Ansätze
des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts knüpften an diese integrativen
Konzepte an, die vom Jugendstil bis zum Bauhaus die Grundidee des
altgriechischen Worts Techne / Τεχνη wiederbelebten, exemplarisch
repräsentiert durch einen Kreis von Persönlichkeiten wie Karl Blossfeldt, El
Lissitzky oder László Moholy-Nagy. Von der nahezu wissenschaftlichen
Naturbeobachtung eines John Constable im späten 18. Jahrhundert bis hin zu der
oft beschworenen Fibonacci-Zahlenreihe des Arte Povera Künstlers Mario Merz,
der harmonische Relationen zwischen Mathematik und Naturformen würdigte,
reichen diese Verbindungen, die keinesfalls frei von einer poetischen Dimension
sind.
Felicitas Rohden kann mit ihrem Arbeiten in die
Traditionslinie derer gestellt werden, die von einem klar definierten künstlerischen
Standpunkt aus eine Affinität zu den Wissenschaften haben. Astronomische, physikalische
oder mathematische Strukturen und Ideen liefern das Material für ihre Frage
nach der Möglichkeit des Verstehens und der Veranschaulichung universaler
Gegebenheiten durch den Menschen. Die Bilder, Skulpturen und Installationen
sind in sich wiederum Ergebnis ihrer künstlerischen Forschungsarbeit, die in
der optischen Darstellung der Phänomene ihre rhetorischen Strukturen analysiert
und auf ihr symbolisches Potenzial hin befragt.
In ihrem neuesten Werk bringt die Künstlerin ein
geometrisches Würfelmodell des italienischen Mathematikers Bonaventura
Cavalieri (1598 - 1647) räumlich zur Entfaltung. Der auch auf den Gebieten der
Optik und Mechanik tätige Wissenschaftler untersuchte hier Beziehungen zwischen
den Flächen und räumlichen Volumen von Körpern. Aus drei pyramidialen Elementen
besteht der von Felicitas Rohden gewählte Würfel, der eine quadratische
Grundfläche in ein Dreieck überführt. Die Künstlerin klappt diese Pyramiden
auseinander und verwendet sie als Projektionsflächen der drei Grundfarben des
additiven Farbraums und für vergrößerte Reproduktionen von mikrofotografischen
Aufnahmen aus dem Gebiet der Teilchenphysik. Während Cavalieris Würfel für das
lange Zeit als gültig angesehene Konzept des Euklidischen Raums steht, verweist
der Mikrokosmos der Teilchen auf andere physikalische Raummodelle, wie sie auch
als Konsequenz aus der Relativitätstheorie entstanden sind. Der lineare Raum
Euklids wich einem Konzept, das von einem gekrümmten Raum ausgeht, in dem Licht
durch die Anziehungskraft großer Massen gebogen wird. "Bended Sight"
versinnbildlicht dieses Nebeneinander, das erhebliche psychologische und
philosophische Fragen aufzuwerfen vermag. Zugleich ist es eine Würdigung der
ästhetischen Dimension der Veranschaulichung dieser mathematischen und
physikalischen Phänomene, die durchaus im Sinne der Wunderkammer als ein
Faszinosum zu begreifen sind.
T.W. Kuhn, Tiergarten im August 2015
Biografie
www.felicitasrohden.com
Felicitas Rohden studierte von 2002 bis 2008 bei A.R. Penck, Rita McBride und Georg Herold
an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Sie realisierte mehrere
Einzelausstellungen und nahm an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen
teil. Residenzstipendien führten sie unter anderem nach São Paulo und Istanbul.
Seit 2015 arbeitet sie als Dozentin an der Kunsthochschule Sint–Lucas in
Antwerpen. Felicitas Rohden lebt und arbeitet in Düsseldorf und Brüssel.
Jagla Ausstellungsraum
Hansaring 98
50670 Köln
Hansaring 98
50670 Köln
www.jagla-ausstellungraum.de
Öffnungszeiten
Donnerstag & Freitag 15 - 18 Uhr,
Samstag 13-16 Uhr & nach Vereinbarung
Ausstellungsansichten:
Fotos: Thomas Köster